Der Prozess gegen Simon wurde eingestellt

Sieben Stunden – mit kürzeren und längeren Pausen – dauerte es am Ende bis gestern klar war: Simon, der Landesvorsitzende der Falken Bayern, wird nicht verurteilt. Schwerer Raub und Körperverletzung wurden ihm zu Beginn des Prozesses in München noch vorgeworfen – mindestens drei Jahre Freiheitsstrafe hätte dies bedeuten können.  Die interessierte Öffentlichkeit erschien so zahlreich, dass nicht nur der Gerichtssaal überfüllt war, einigen Zuschauer*innen wurde sogar der Zutritt verweigert.Der Zuschauerraum war zu klein und Stühle, die ansonsten ungenutzt herumstanden, wurden vom Richter unfreundlich verteidigt. Sie blieben leer.

Der Vorwurf: Simon habe zusammen mit zwei weiteren unbekannten Personen einen Polizisten gegen ein Auto gedrückt und dann gezielt nach dem „Reizstoffsprühgerät“, so heißt Pfefferspray im Amtssprech, gegriffen, um dieses in seinen Besitz zu bringen. Er habe vorgehabt an der weiteren Demonstration bewaffnet teilzunehmen. Bei dieser Demonstration im Oktober 2016 ging es gegen das sogenannte Integrationsgesetz, welches der Bayerische Landtag nach 16 Stunden Debatte im Dezember 2016dann verabschiedete. Oder besser gesagt: gegen das Ausgrenzungsgesetz, wie es sogar der erste geladene Polizist nannte.

Dazu sagte Simon in seiner politischen Einlassung zu Prozessbeginn: „Ein Gesetz, das Menschen spalten soll, indem es Kategorien wie Migrant*innen, Halb- und Viertelmigrant*innen schafft und ihnen unterstellt ‚besonderns integrationsbedürftig‘ zu sein. Wie diese Integration aussehen soll, wird dabei auch nicht verschwiegen. Sie soll durch eine totale Unterwerfung unter eine bayerische bzw. christlich-abendländische Leitkultur geschehen. Das ist keine Integration! Das ist viel mehr der Ausdruck einer durch und durch rassistischen Gesetzgebung!“

Dem Richter wäre es lieber gewesen, Simon hätte sich nicht politisch geäußert. Es sei ja kein politisches Verfahren, so der Richter, sondern eine sachliche Ermittlung nach einer Tat. Doch wie soll man auf diesen Rechtsstaat vertrauen können, wenn er Gesetze wie das Integrationsgesetz zur Grundlage hat? Einem Gesetz, welches, wie Simon betonte, alle Menschen kriminalisieren solle, die sich mit den herrschenden Verhältnissen nicht abfinden wollen würden. Jegliche Kritik am kapitalistischen System, so Simon weiter, könne durch dieses Gesetz mit bis zu 50.000 € Bußgeld belegt werden. 

Auch ist es hochpolitisch, wie es um die Machtverhältnisse bestelllt ist. Nicht Simon war auf der Demo bewaffnet und konnte bei seinem wichtigen Anliegen auf bewaffnete Hilfe zählen, nicht Simon konnte entscheiden, keine Fingerabdrücke vom Pfefferspray zu nehmen, sondern es im Mannschaftsbus wieder zu den anderen Sprays zu legen und nicht Simon konnte sich von seinem eigenen Vorgesetzten und Einsatzverantwortlichen vernehmen lassen. Auch nicht Simon war in Einheitskleidung ohne Erkennungsmerkmal gekleidet und hat damit die Selbstverantwortung für das eigene Tun verschleiert.Zumindest die Verteidigung war sich nach 30-minütigem Frage-Antwort-Spiel beim Betrachten der Fotos einig: „Eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten würde vieles vereinfachen“.

Es war auch nicht Simon, dem von Amts wegen mehr Glaubwürdigkeit geschenkt wurde, sondern einem Polizisten auf dessen höchst unglaubwürdige Aussage hin ein Verfahren eröffnet wurde. Ebendieser Polizist wurde im Übrigen in einem vorherigen Verfahren gegen einen anderen Falken, den er bezüglich Ereignisse auf derselbsen Demonstration schwer belastete, in zweiter Instanz für unglaubwürdig erklärt. Es folgte der Freispruch des Genossen.

Es ist ein leider weit verbreitetes Problem, dass Polizisten versuchen Einsatzfehler mit Anzeigen und konstruierten Vorwürfen gegen Beteiligte zu verbergen – wir können natürlich nur mutmaßen, was in diesem Fall der Grund gewesen sein könnte.

Der engagierten Verteidigung und ihren Nachfragenist es zu verdanken, dass diesmal nicht einfach die Sicht von USK-Polizeibeamten unkritisch und unreflektiert übernommen wurde.

Raunen und Kopfschütteln gab es im Zuschauerraum vor allem bei den Aussagen des vermeintlich beraubten Polizisten. Dieser erinnerte sich zwar noch an ein angeblich nur wenige Sekunden dauerndes Gerangel und den „Raub“ seines „Reizgassprühgeräts“, aber extrem schlecht an verschiedene Ereignisse davor und danach – auch nicht an die Inhalte der Nachbesprechung des Einsatzes oder andere wichtige Details. 

Was er noch wusste: Dass Demonstranten wie Simon ihm im Weg waren, vor ihm „getänzelt“ hätten und er ihn habe beiseite schieben müssen, was er als ein „Streicheln“ beschrieb. 

Nachdem zwei andere Polizeibeamte den Raub nicht bestätigen konnten und einander in Skizzen zur Situation widersprachen, folgte der Vorschlag des Gerichts auf Einstellung des Verfahrens. 

Als Auflage muss Simon nun 1.000 Euro an Amynabezahlen, einen Verein für den Schutz von Mädchen* und Jungen* vor sexueller Gewalt. 

Dieser Prozessausgang ermutigtuns, weiterhin für gesellschaftlichen Fortschritt zu streiten oder wie Simon zu Prozessbeginn sagte: „nicht einfach zuzusehen, wie hart erkämpfte Rechte einfach über den Haufen geworfen werden“ 

Der Prozess erschreckt uns aber auch, weil er wieder einmal zeigt, dass frei konstruierte Vorwürfe durch einzelne Polizist*innen unmittelbar zu einem Gerichtsprozess mit unter Umständen jahrelanger Gefängnisstrafe führen können. 

Für uns ist klar: Wir lassen uns weder auf der Straße noch vor Gericht kriminalisieren. Gefährlich sind nicht wir Demonstrant*innen, sondern vielmehr die Gesetze, gegen die wir auf die Straße gehen. Mit Simon und seinen Worten: gegen „eine durch und durch rassistische Gesetzgebung“, gegen „Unterwerfung unter eine bayerische bzw. christlich-abendländische Leitkultur“, gegen den „massiven Ausbau polizeilicher Befugnisse“ werden wir „weiterkämpfen für eine freie und demokratische Gesellschaft, in der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen der Vergangenheit angehört.“

Lasst uns „die versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!“ (Karl Marx) – aber bitte ohne, dass wir uns dabei von Polizist*innen „streicheln“ lassen müssen.

Spenden gerne an:

Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken, Landesverband Bayern DE78750500000008186173

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Pressemitteilung: Solidarität mit Simon – nehmt ihr einen von uns fest, kommt das ganze Falkennest

Sehr geehrte Pressevertreter und -vertreterinnen,

am morgigen Dienstag, den 27.11.2018 findet der Gerichtsprozess gegen den Landesvorsitzenden des Kinder- und Jugendverbandes der SJD-Die Falken Bayern statt. Ihm wird schwerer Raub und Körperverletzung vorgeworfen. Er soll im Rahmen der Demonstration für eine vielfältige und freie Gesellschaft und gegen das sogenannte „Integrationsgesetz“ vor zwei Jahren in München einem Polizeibeamten dessen Pfefferspray entwendet haben.

Wir halten den Vorwurf für fadenscheinig. Nico Schreiber, Vorsitzender der Falken Nürnberg meint: „Die Vorwürfe gegen Simon sind absurd. Unser Landesvorsitzender soll einen nahkampferprobten, gepanzerten Polizisten beklaut und ihn verletzt haben? Die Vorwürfe sollen davor abschrecken, Widerstand zu leisten. Der Widerstand gegen Gesetze wie das Integrationsgesetz,  Polizeiaufgabengesetz, Psychiatriehilfegesetz ist aber notwendig. Schließlich wollen wir in einer freien und friedlichen Gesellschaft für Alle leben.“

Leider ist es erwiesenermaßen häufig so, dass Straftaten gegen Polizeibeamte erfunden werden, um schiefgelaufene Polizeieinsätze zu rechtfertigen. „Oft ist es so, dass Polizeibeamte sich gegenseitig als Zeugen decken. Ein gerechter und fairer Prozess wird damit schwierig, es entsteht ein Ungleichgewicht bei der Beweisführung im Gerichtssaal“, meint Nico Schreiber. Auch der Landesvorstand und der Bundesvorstand der Falken kritisieren die zunehmende Kriminalisierung linken und gesellschaftskritischen Engagements und rufen dazu auf, den Prozess gegen Simon kritisch zu begleiten, damit dieser nicht abseits der Öffentlichkeit stattfindet.

Der Gerichtsverhandlung findet am 27.11.2018 um 9:00 Uhr im Amtsgericht München (Raum A224) statt.

Wir bitten Sie als Pressevertreter oder -vertreterin um Berichterstattung.

Mit freundlichen Grüßen.

Die Falken in Nürnberg

Ihr könnt den Prozess von Simon außerdem durch Spenden unterstützen. Diese bitte an: Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken, Landesverband Bayern DE 78750500000008186173

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Antikommunismus und Antisemitismus

Donnerstag, 15.11.2018
19 Uhr
Falkenturm, Frauentormauer 3
Eintritt frei

Kommenden Donnerstag wird Nico von den Falken Nürnberg etwas zu Antikommunismus und Antisemitismus erzählen:

Antikommunismus ist eine Ideologie, die einerseits von der bestehenden Gesellschaft hervorgebracht und zudem staatlich produziert wird und die andererseits diese Gesellschaft und ihr Fortbestehen maßgeblich bestimmt. Der Antikommunismus behauptet die gesellschaftliche Alternativlosigkeit und propagiert die Herrschaft von Staat, Markt, Nation. Er ist damit verknüpft mit dem Antisemitismus, welcher die Widersprüche der kapitalistischen Herrschaft falsch beantwortet, indem das Kapitalverhältnis als „jüdische Weltherrschaft“, die soziale Frage als „Judenfrage“ gedeutet wird. Der Antisemit ist Antikommunist, weil er auf eine vernünftige Gesellschaftsanalyse verzichtet und stattdessen auf die moralische Dämonisierung von Juden und Jüdinnen oder Israels setzt. Es ist kein Zufall, dass der heutige AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann (damals CDU) 2003 in einer Rede zum 3. Oktober behauptet, Juden und Jüdinnen könnten aufgrund ihrer Rolle in der russischen Revolution als Tätervolk bezeichnet werden. Es ist kein Zufall, dass die Nationalsozialist*innen vom „jüdischen Bolschewismus“ sprachen, den sie mit dem Überfall Osteuropas vernichten wollten.
Nico von den Falken Nürnberg erzählt, was Antisemitismus ist, will diskutieren, was unter Antikommunismus zu verstehen ist und hofft, dass der Zusammenhang von Antisemitismus und Antikommunismus verstanden wird. Vorkenntnisse sind hilfreich, aber nicht nötig.
Der Vortrag ist kostenfrei. Die Veranstaltung wird organisiert von der Freien Arbeiter*innen Union Nürnberg und den Falken Nürnberg.