Heute, am 27.05. 2019 um 9:00 fand der Prozess gegen Nico, den Vorsitzenden der SJD- Die Falken Nürnberg, im Amtsgericht Nürnberg statt. Ihm wurde vorgeworfen, im Rahmen einer Demonstration Symbole einer verbotenen Organisation, nämlich der türkisch-kurdischen HPG, gezeigt zu haben. In Wahrheit hat Nico aber die Flagge der nicht verbotenen syrisch-kurdischen YPG gezeigt.
Der Tag begann mit einer aufbauenden Kundgebung mit etwa 50 Teilnehmer*innen und mit stärkenden Solidaritätsbekundungen von Vertreter*innen des Bündnisses für Frieden in Kurdistan, der Interventionistischen Linken, der Organisierten Autonomie, der Roten Hilfe, der stellvertretenden Vorsitzenden der Falken Nürnberg, Leonie und der Bundesvorsitzenden der Falken, Alma Kleen. Im Anschluss betraten wir alle gemeinsam das Gericht. Nach doppelter Sicherheitskontrolle und der Erstellung einer Kopie jedes Ausweises der Prozessbeobachtenden waren wir letztendlich alle im Gerichtssaal versammelt. Nach der Verlesung der Anklageschrift gab Nico seine Prozesserklärung ab. (siehe unten) Nach einer Schweigeminute für die Opfer der kurdischen Bevölkerung in Afrin und Rojava, begründete er, weshalb er das Symbol der kurdischen Volksverteidigungseinheiten der YPG gezeigt hat: Aus Solidarität mit den Angegriffenen in Afrin und deren Verteidiger*innen von der YPG. Als Zeugen waren drei Polizisten, zwei vom USK, einer vom Staatsschutz geladen. Der erste Zeuge war auf der Demo anwesend und sagte aus er habe die bunten Kartondreiecke und den Stern von der Demo aus gesehen. Die Bedeutung der Symbole habe er nicht zuordnen können. Der zweite Zeuge sagte aus, nichts zu dem Vorfall sagen zu können, da er nur die Film- und Bildaufnahmen gesehen habe. Der dritte Zeuge sagte aus bei der Demo nicht anwesend gewesen zu sein auf den Bildern allerdings das HPG Logo erkannt zu haben. Und auch wenn es die YPG-Fahne gewesen sein solle, sei diese nach seinem Verständnis ebenfalls verboten. Alle Zeugen waren sich bezüglich der Symbolik sehr unsicher, niemand konnte sagen, es wäre sicher das Symbol der HPG gewesen, wie es in der Anklageschrift gegen Nico heißt. Auffällig war, dass der Zeuge immer wieder betonte, dass Nico sowie der Verband SJD- die Falken als politisch links einzustufen seien. Außerdem wurde der Staatsschutzbeamte dazu mehrfach explizit von Richterin und Staatsanwalt befragt. All die Pressemitteilungen und Facebook-Posts unsererseits, welche eindeutig die Solidarität mit den Volksverteidigungseinheiten der YPG und YPJ äußerten und Nicos Prozesserklärung sowie die auf den Bildern eindeutig zu erkennende YPG-Bastelarbeit konnten die Richterin nicht überzeugen, dass wir wirklich die YPG-Fahne zeigen wollten. Sie war der Ansicht, dass wir ja einfach die YPG-Fahne hätten zeigen können, falls das unser Plan gewesen wäre. Die Bastelarbeit mit den drei versetzten Symbolen würde darauf hinweisen, wir hätten gewusst etwas Illegales getan zu haben. Nico hätte wissen müssen, dass Menschen dies als HPG-Fahne missverstehen hätten können, besonders da er sich politisch auskenne. Also wurde er für das Zeigen der HPG-Fahne verurteilt. Zwar gab es keine, von der Staatsanwaltschaft geforderte sechswöchige Freiheitsstrafe auf Bewährung, sondern nur 30 Tagessätze a 15 Euro, aber für einen Vorwurf von Seiten der Staatsanwaltschaft, der schlichtweg falsch ist, ist das dennoch unverschämt. Letztendlich wurde Nico verurteilt weil er links ist.
Es belegt unsere Vermutungen, dass es sich bei diesem Prozess um einen politischen Prozess handelte. Er diente nicht der Wahrheitsfindung und nicht der Gerechtigkeit, sondern er reiht sich ein in die Welle an Repression gegen Kurd*innen und Linke und all jene, die sich mit dem Hoffnungsschimmer in Rojava solidarisieren.
—————————————————————–
Prozesserklärung
Hohes Gericht, Staatsanwalt, sehr vereehrtes und geliebtes Publikum,
bevor ich mich zu den Anschuldigungen äußere, möchte ich zunächst alle im Saal darum bitten, eine Schweigeminute zu halten für die Menschen von Afrin und ganz Rojava, die dem Islamischen Staat und der türkischen Armee zum Opfer gefallen sind.
Vielen Dank.
Am 3. Februar 2018 zeigte ich gemeinsam mit Genoss*innen im Rahmen einer Demonstration für die angegriffene Stadt Afrin öffentlich eine zusamengesetzte Fahne der YPG. Ich hielt dabei einen roten Pappstern, der zusammen mit grünem und gelben Pappdreieck dieses Logo ergab. Ich zeigte diese Fahne, um den Volksverteidigungseinheiten der syrischen Kurd*innen Respekt zu zollen. Sie waren es, die den Völkermord an den Jesiden verhindert haben. Sie waren es, die dem Islamischen Staat entscheidende Schläge versetzten, ihn zurückdrängten und ihn geschwächt haben, während andere Armeen die islamistische Barbarei haben wüten lassen. Die YPG und die Frauenarmee der YPJ haben in Syrisch-Kurdistan eine freie, demokratische, gleichberechtigte und ökologische Gesellschaft verteidigt: zuerst gegen den IS und dann gegen die türkische Armee mit ihren deutschen Panzern.
Ich zeigte die Fahne aus Respekt und Dankbarkeit und als Zeichen der Ablehnung von Islamismus und Faschismus, als Zeichen der Solidarität mit einem feministischen, sozialen und demokratischen Gesellschaftsentwurf.
Ich bin verwundert, warum ich hier vor Gericht stehe. Mir wird vorgeworfen, die Fahne der verbotenen HPG gezeigt zu haben, was angesichts der Beweislage lächerlich ist. Die Demo ging um syrisch-Kurdistan, um Afrin, dort kämpfte die YPG/YPJ, nicht die HPG. In all unseren statements und offenen Briefen wurde betont, dass es um die YPG ging, die meines bescheidenen Wissens keinem Verbot unterliegt.
Aber der Ermittlungseifer der bairischen Behörden gegen die kurdische Bewegung und gegen Linke ist bekanntermaßen groß. Nur so kann ich mir erklären, warum ich heute hier stehen muss.
Ich bekenne, die Fahne der YPG gezeigt zu haben, die Polizei und Staatsanwaltschaft verwechselt zu haben scheinen. Ich bin ja gespannt auf die erhellenden Informationen aus dem Zeugenstand.
Ich bekenne mich, solidarisch mit der kurdischen Bewegung zu sein und ich bekenne mich, den völkerrechtswidrigen, türkischen Angriffskrieg auf Afrin und syrisch-Kurdistan zu verurteilen.
Ich habe aber nie die Fahne der HPG gezeigt. Dieser Prozess sollte deswegen schleunigst mit einem Freispruch enden. Meine Freund*innen und Genoss*innen und ich haben schließlich Besseres zu tun.
Ich werde mich ab jetzt nicht mehr äußern. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und vielen Dank an meine Freund*innen und Genoss*innen, dass ihr heute mit mir da seid.