Sozialistische Jugend – Die Falken in Nürnberg
6. Juli 2017
Stellungsnahme zum juristischen und politischen Nachspiel des Protests gegen die Abschiebung am 31.5.2017 vor der Berufsschule B11
Der Vorfall ging durch die bundesweiten Medien:
Am 31. Mai 2017 sollte der 20-jährige Asef N. nach Afghanistan abgeschoben werden. Die Polizei holte ihn von seiner Berufsschule ab. Seine Mitschülerinnen und Mitschüler – darunter auch Mitglieder unseres Jugendverbandes – solidarisierten sich mit ihm, übten zivilen Ungehorsam aus und blockierten zusammen mit vielen anderen Nürnbergerinnen und Nürnbergern das Polizeiauto, das Asef N. wegbringen sollte. Die Polizei löste die friedliche Blockade auf und prügelte auf die teils nur am Boden sitzenden Schüler und Schülerinnen ein. Dabei wurden Finger gebogen, in Augen gedrückt und an Haaren gezogen. Viele wurden dabei verletzt. Besonders bestürzend war dabei das brachiale Auftreten der gepanzerten, mit Hunden, Schlagstöcken und Pfefferspray bewaffneten Polizisten des Unterstützungskommandos, auch wenn die Gewalt nicht nur von dieser Einheit der Polizei ausging. Eines unserer Vorstandsmitglieder, Nico Schreiber, erlitt dabei Verletzungen durch einen Einsatzstock, mit dem auf seinen Unterarm geschlagen wurde. Zudem wurde er von dem durch die Menschenmenge fahrenden Polizeiauto angefahren.
Der Kreisjugendring Nürnberg hat sich öffentlich positioniert und den Polizeieinsatz kritisiert.
OB Maly und weitere Nürnberger Stadträtinnen und Stadträte, die bayerischen Jusos, der Bayerische Flüchtlingsrat, die DBG-Jugend, Kirchen- und GewerkschaftsvertreterInnen und viele weitere äußerten große Bedenken. Der zivile Ungehorsam der Schüler und Schülerinnen wurde unter Anderem von Margarete Bause von den Grünen gelobt.
Von Seiten der Polizei wird eine ganz andere Geschichte kolportiert: von fliegenden Fahrrädern und Flaschen gegen Polizeibeamte, sowie von ausgeschlagenen Zähnen spricht die Polizei gegenüber Medienvertretern. In den zahlreichen Videos, die durch verschiedenste Onlinezeitungen verbreitet wurden, ist davon nichts zu erkennen. Zugleich wird behauptet, es sei nicht zu Schlagstockeinsätzen gekommen, obwohl unser Vorstandsmitglied Nico Schreiber von einem eben solchen verletzt wurde und dies mit einem ärztlichen Attest belegen kann. Verletzte auf Seiten der Blockierer seien der Polizei nicht bekannt, obwohl Pfefferspray eingesetzt wurde.
Im gestrigen Ausschuss für Innere Sicherheit des bayerischen Landtags wurde der Fall thematisiert. Der zuständige Polizeiinspekteur Thomas Hampel versuchte dort, die gewalttätige Eskalation der Polizei zu rechtfertigen, indem er zwischen „friedlichen Schülern“ und „gewalttätigen Linken/Autonomen“ differenziert. Diese Darstellung entspricht nicht der Wahrheit, sie erscheint uns als linkem Kinder- und Jugendverband auch nicht logisch, da eben auch Mitglieder unseres Verbandes vor Ort waren, die zugleich Schüler sind.
Hampel berichtet, dass die Polizei auf ein „friedliches Zusammenwirken“ abzielte. Auch dem widersprechen wir entschieden. Dies Eskalation ging durchwegs von der Polizei aus. Dass Beamte „massiv tätlich angegriffen“ worden seien und ihnen „in den Rücken gesprungen, gegen Knie und Beine getreten und mit den Ellbogen gegen Oberkörper und Hals geschlagen“ worden sei, entspricht in keinem Fall den Erlebnissen unserer anwesenden Mitglieder. Auch die Videoaufnahmen des Tages sprechen eine andere Sprache. Dass der Einsatzstock als „Abdränghilfe“ verwendet wurde, ist ebenfalls falsch. Mehrere Jugendliche wurden damit verprügelt, darunter Mitglieder unseres Verbandes.
Der Verdacht drängt sich geradezu auf, dass damit versucht wird, den brutalen Polizeieinsatz zu rechtfertigen. Es steht zu befürchten, dass einzelne BlockiererInnen, die nun juristisch belangt werden sollen, als Sündenböcke für einen misslungenen Polizeieinsatz herhalten müssen. Die Verantwortung für die Eskalation seitens der Polizei soll abgewälzt werden. Dass keine Anzeigen gegen Polizeibeamte gestellt wurden, liegt daran, dass die Befürchtung der Betroffenen vor Gegenanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu groß ist. Sowohl von seiten der CSU als auch von der SPD wurde der Polizeieinsatz als Einsatz „nach dem Lehrbuch“ gewürdigt und damit Polizeigewalt gegen Jugendliche gerechtfertigt.
Einer der blockierenden Jugendlichen sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Er hat noch am Vortag der Geschehnisse an betreffender Berufsschule einen Workshop im Rahmen des sehr unterstützenswerten Heroes-Projekts gegeben und sich dabei gegen Diskriminierung und Unterdrückung im Namen der Ehre und für Gerechtigkeit eingesetzt. Er wird von Hampel als „bekannter Linksextremist“ denunziert.
Wir sprechen uns gegen die Inhaftierung eines Blockierers und Strafverfahren gegen zivil Ungehorsame aus. Angesichts der Tatsache, dass die Regierung Mittelfranken sich bei der versuchten Abschiebung nicht an geltendes Recht gehalten hat, darf das Engagement und die Zivilcourage Jugendlicher und junger Erwachsener nicht delegitimiert werden. Laut dem Landgericht Nürnberg-Fürth bestehen „erhebliche Zweifel“, dass das Vorgehen der Regierung im Rahmen der versuchten Abschiebung „rechtsstaatlichen Grundsätzen“ entspreche.
Der Versuch der Schülerinnen und Schüler, der Freunde und Bekannten sich gegen Inhumanität zur Wehr zu setzen, darf nicht in einem Strafverfahren gegen Jugendliche enden. Dieses ist als Rechtfertigungsstrategie der Polizei zu bewerten.