Pressemitteilung und Richtigstellung der SJD – Die Falken Nürnberg
betreffend: Jamnitzerplatz
15.7.2019
Liebe Freund*innen, liebe Genoss*innen, liebe interessierte Öffentlichkeit
In den letzten Tagen schienen die Geschehnisse um den Jamnitzerplatz in Gostenhof in punkto medialer und öffentlicher Aufmerksamkeit hoch im Kurs gestanden zu sein. Den Ablauf kennen mittlerweile vermutlich alle: am Freitag, den 28. Juni versuchen Polizeibeamte, die wegen angeblicher Ruhestörung gerufen wurden, Personalien aufzunehmen, ziehen sich aber zurück, nachdem andere Menschen sie vertreiben. Daraufhin gibt es Zeitungsartikel, in denen ein totaler Kontrollverlust gezeichnet wird, woraufhin die Polizei mit massiver Präsenz am Jamnitzerplatz vor Ort ist. Dies wiederum wird von vielen Platznutzer*innen und Gostenhofer*innen als unangenehm und störend empfunden, der von Unbekannten initiierten und von Vielen verbreiteten Einladung zum „solidarischen Cornern“ am darauffolgenden Freitag folgen über 200 Menschen – sehr viele von ihnen sind Anwohner*innen. Nachdem dort friedlich, aber unangemeldet bis 1 Uhr nachts gefeiert wird, brodelt die Gerüchte- und Einschätzungsküche in der Stadtöffentlichkeit.
Wir wollen im Folgenden einige Dinge klarstellen und zugleich unsere Position zu den Geschehnissen rund um den Jamnitzerplatz zum Ausdruck bringen:
Die Falken Nürnberg haben nicht zum „solidarischen Cornern“ aufgerufen.
Entgegen den teilweise inhaltlich falschen Darstellungen auf nordbayern.de haben wir Falken nicht zum „solidarischen Cornern“ aufgerufen. Die Nachricht, in der eben zu diesem „solidarischen Cornern“ aufgerufen wird, haben Mitglieder von uns erhalten. Da insbesondere einige unserer Mitglieder, die in Gostenhof leben, die täglichen Polizeieinsätze an und um den Jamnitzerplatz als unangenehm empfanden, schien uns die Einladung, in der um ein solidarisches Miteinander in der Nachbarschaft geworben wurde, als ein sehr schönes Symbol. Freude, Ausgelassenheit und Zusammensein sollte stärker sein als Nachbarschaftszank, Vereinzelung und Einsamkeit.
Deswegen haben wir – so wie es für unsere Facebook-Verwaltung üblich ist – die Nachricht geteilt und mit eigenem Kommentar versehen. Wir haben aber nicht selbst aufgerufen.
Vom Lagerfeuer wusste niemand etwas
Es mag verwunderlich sein – schließlich brauchen nur fünf Falken zusammenkommen und schon sitzen sie am Lagerfeuer und singen Arbeiter*innenlieder – aber bis zu dem Zeitpunkt, als Menschen begannen, ein Lagerfeuer in der Mitte des Jamnitzerplatzes zu entzünden, wusste niemand, dass es ein solches geben wird. Auch in der Einladung, die Mitglieder von uns erhielten, stand davon nichts. Das Feuer spielt in der Frage zwar eine sehr untergeordnete Rolle – schließlich ist polizeilich bestätigt, dass es zu jedem Zeitpunkt ungefährlich war – dennoch ist uns eine korrekte Darstellung der Faktenlage wichtig.
Die Polizeieinsätze an den Freitagen waren besonnen, die sonstige Polizeipräsenz ist beängstigend
Die Polizei hat an dem Ausgangsabend, am Freitag, den 28. Juni, korrekt gehandelt: sie hat sich zurückgezogen, die Verhältnismäßigkeit geprüft und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass „Ruhestörung“ keine Straftat ist. Erst die Polizeipräsenz in den darauffolgenden Tagen hat die Stimmung erhitzt.
Die Polizei ging in den Folgentagen gegen Menschen vor, die in einem Park saßen und tranken, weil sie eben zu wenig Geld für das Café oder Kneipe haben; sie ging gegen Jugendliche vor, die zuhause beengt leben und deswegen auf die Straße und Parks und Plätze ausweichen; sie fuhr über Tage (und fährt bis jetzt) durch das Viertel und hat Menschen in Handschellen gelegt, nachdem diese ein Bier am Jamnitzerplatz tranken. All das hat sehr viele Gostenhofer*innen und Anwohner*innen empört. Das ist einfach nicht das richtige Maß und es ist beängstigend.
Der Polizeieinsatz an dem Abend des „Cornerns“, am Freitag, den 5. Juli hingegen, lässt sich ebenso als besonnen und verhältnismäßig einschätzen. Die Polizei verzichtete auf eine Räumung des Jamnitzerplatzes und verhinderte so schlimme Szenen. Damit blieb es bei einem ausgelassenen Abend, der eben ein Zeichen für Lebensfreude und Zusammensein im Viertel darstellte und auch bereits um 1 Uhr nachts friedlich und ohne Zwischenfälle endete.
Der „Kampf“ um den Jamnitzerplatz ist ein Kampf um die Frage: Wem gehört die Stadt?
Uns ist wichtig, zu betonen, dass der Konflikt, der in Gostenhof rund um den Jamnitzerplatz schwelt, ein Konflikt zwischen Klassen ist.
Es ist ein Konflikt zwischen denen, die in ihrem Hinterhof oder Vorgärtchen ihre ganz eigene Grillparty feiern können, die sich kostspielig in Kneipen und Bars betrinken können (und demgemäß oft kein Verständnis für die haben, denen es anders ergeht) und denen, die gar keine Gärten oder Innenhöfe nutzen können, die kein Geld haben für teuren Bars oder Kneipen. Für viele dieser Menschen ist der Jamnitzerplatz einfach der Garten, der Treffpunkt, der Ort der Erholung und der Freizeit. Diese Menschen finden leider viel zu selten Gehör.
Für uns Falken in Gostenhof hat der Jamnitzerplatz auch deswegen besondere Bedeutung, weil dort sehr viele Kinder – teils bis in die späten Abendstunden – ihre Zeit verbringen und spielen, viele Jugendliche treffen sich dort und hören Musik oder trinken. Der Jamnitzerplatz ist ein Ort der Kommunikation und des Zusammenkommens – insbesondere für die, die aufgrund mangelnden Wohnraums nicht zu sich nach Hause einladen können:
„Die Gostenhofer Falken mögen ihren Platz, lieben seine Lebendigkeit und Vielfalt. Wir Falken finden, dass eine lebenswerte Stadt solche kommerzfreien Treffpunkte braucht, an denen man billige Getränke zu sich nehmen kann. Für viele Gostenhofer*innen ist der Jamnitzer der Vorgarten oder Hinterhof, weil so etwas in unserer Gesellschaft eben nicht alle Menschen besitzen.“
Wir haben absolutes Verständnis für Menschen, die – vor Allem unter der Woche – erschöpft von der Arbeit nach Hause kommen und in Ruhe schlafen wollen. Den Meisten von uns geht es ja selbst so, dass uns der Schlaf heilig ist, weil er uns unter der Woche vom Wecker und der Arbeit, Schule, Studium immer geraubt wird. Ebenso heilig ist uns aber das Wochenende – und diese konflikthaften Austragungen fanden stets am Wochenende statt. Das Wochenende soll der Erholung dienen, aber auch der Zerstreuung, es ist dazu da, den Kopf abzuschalten. Wir – die wir stets Leistung bringen müssen und deswegen am Montag oft schon den Freitag herbeisehnen – brauchen am Wochenende also neben dem Schlaf auch Spaß, Freiheit, Rausch, Gespräche, Knutschen und Party.
Damit ist leider ein Konfliktfeld eröffnet, das sich nicht leicht beantworten lässt. Welches der gegensätzlichen Bedürfnisse zählt mehr: Schlaf und Erholung oder Party und Zerstreuung?
Wir Falken haben darauf keine unmittelbare Antwort, nehmen aber zur Kenntnis, dass die Ruhe und Erholung von Menschen sehr wohl geopfert wird, wenn es kommerziellen Zwecken dient: Rock im Park, die Blaue Nacht, Bierchen und Bühnchen und und und… wir finden all diese Kulturveranstaltungen sollten Platz in Nürnberg haben – wie auch gemeinsames Abhängen am Jamnitzerplatz. Aber bei solchen kommerziellen oder kommerzialisierbaren Veranstaltungen werden die Ruhebedürfnisse der Bevölkerung eben ganz selbstverständlich mit ordnungsamtlicher Genehmigung übergangen.
Wir wünschen uns also einerseits von allen Jamnitzerplatz-Besucher*innen Verständnis für das Ruhebedürfnis derjenigen, die früh aufstehen müssen. Zugleich wünschen wir uns Verständnis für das wochenendliche Feier- und Zerstreuungsbedürfnis der Anwohner*innen und Gostenhofer*innen. Der Jamnitzer soll weiterhin Treffpunkt, Vorgarten und Hinterhof bleiben. Der Jamnitzerplatz gehört allen: da stimmen wir mit unserem OB Maly, sowie dem Vorsitzenden des Gostenhofer Bürgervereins, Heinz-Claude Aemmer völlig überein.
Mit sozialistischen Grüßen und FREUNDSCHAFT!
Falken Nürnberg