Zeltlagerprojekt zu Geschlechterklischees in Kinderbüchern

Die Geschichte des Gender-Buch-Clubs

Am Ende des Falkenzeltlagers 2019 haben sich Projektgruppen zusammen getan um intensiv an einer Sache zu arbeiten. Unsere Fragestellung resultiert u.a. aus der Beobachtung, dass typische Geschlechterklischees auch im  Zusammenleben von Personen, die diese eigentlich kritisch reflektieren – wie wir bei den Falken – auftreten. Sie sind durch die Sozialisation in unserer bestehenden Gesellschaft tief in uns verankert.  Selbst wenn Eltern und Falkengruppe ein Gegenerleben zum täglichen Blau-Rosa-Wahn darstellen, behalten Frauen & Mädchen oft den fürsorglichen Überblick, sorgen für Ordnung & Hygiene, treten weniger öffentlich in Erscheinung und trauen sich in vielen Bereichen weniger zu. Die Sozialisation dazu beginnt früh und gestaltet sich vielfältig. Wir haben uns gefragt inwieweit Kinderbücher dazu beitragen und ob es auch klischeefreie Kinderbücher gibt. Neben Feen-Glitzer-Geschichten und Fußballabenteuer haben wir auch Positivbeispiele gefunden.  Jedoch ist uns aufgefallen, dass diese nicht ohne ein Umdrehen der Klischees auskamen. Also Mädchen mit „männlichen“ und Jungen mit „weiblichen“ Eigenschaften charakterisieren. Solange Menschen sich diesen beiden Geschlechterkategorien mit ihren angeblichen Eigenschaften zuordnen, wird es somit nicht möglich sein ein neutrales Kinderbuch zu schreiben. Um ein Bewusstsein für starre Rollenbilder bei Kindern und Eltern zu schaffen, kann es sogar Sinn ergeben gar nicht das Ziel der Neutralität zu verfolgen , sondern die Geschlechterklischees in ihrer Umkehrung auf die Spitze zu treiben. Gebt uns gerne Tipps welche Bücher ihr in Sachen Rollenbilder schätzt. Freundschaft!

„Herr Hase & Frau Bär – Die lustige Schlittenfahrt“
(von Christa Kempter)

Herr Hase & Frau Bär wohnen zusammen in einem Haus. Unten wohnt der wuselige und ordnungsliebende Herr Hase und oben die gemütliche, verspielte und abenteuerlustige Frau Bär. In diesem Band über die beiden Tiere hat es über Nacht kräftig geschneit. Herrn Hase ist es wichtig Schnee zu schippen und auch draußen Ordnung zu halten, doch Frau Bär überredet Herrn Hase auf dessen kleinen Schlitten schlitten fahren zu gehen.  Beide haben dabei sehr viel Spaß. Die Befürchtung von Herrn Hase, dass der kleine Schlitten zerbrechen könnte bewahrheitet sich allerdings. Frau Bär kann im Gegensatz zum flinken Herrn Hase nicht mehr vom Schlitten springen und kullert gegen einen Baum.  Autsch! Herr Hase kümmert sich liebevoll mit Kakao und Honig um die verletzte Frau Bär. Als Frau Bär eingeschlafen ist kommt ihm eine Überraschungsidee: Ein neuer größerer Schlitten wird bis zum nächsten Tag gezimmert. Das Buch erfüllt so ziemlich keine Geschlechterklischees. Im Gegenteil: Herrn Hase werden viele Eigenschaften zugeschrieben, die sonst als „weiblich“ angesehen werden und Frau Bär verhält sich nicht wie eine klischeehafte Frau, sondern ist abenteuerlustig und auch mal unvernünftig. Eine echt erfrischende Abwechslung in der sonst so klischeehaften Kindergeschichtenwelt. Als vorlesende Person, die man diese ganzen Klischees verinnerlicht hat, fällt es sogar manchmal schwer nicht Herr Bär & Frau Hase zu sagen. Eine Kleinigkeit ist trotzdem verbesserungswürdig. Anstatt zu schreiben, dass Herr Hase zum zimmern des neuen Schlittens Frau Bär`s Brüder holt, hätte man auch einfach schreiben können, dass Frau Bär`s Geschwister helfen. Das Geschlecht tut doch beim Handwerken nichts zur Sache. Ansonsten ist das Buch für Kindergartenkinder super empfehlenswert und bricht mit den sich schon früh verfestigten Geschlechterklischees ganz nebenbei.

 

„Kaiser Franz – Die besten Fußball-Geschichten“
(von Jörg Mühle und Thomas Krüger)

In der Geschichte Kaiser Franz wird Fußbalweltmeister kommt Kaiser Franz´s Land in die Fußball-WM. Im vorherigen Teil erfindet Kaiser Franz das Fußball spielen. Aber Kaiser Franz darf nicht mitspielen, sondern muss auf der Ehrentribüne sitzen. Um doch mitspielen zu können verkleidet er einen Teddy wie sich. Dann schießt er ein Tor und es kommt raus, dass er es ist. Dann gewinnt Kaiser Franz die Weltmeisterschaft . Königin Liesbeth von der gegnerischen Mannschaft merkt nicht, dass ein Teddy neben ihr sitzt.

Klischees die vorkommen sind:

Das Buch reproduziert die Klischees, dass Jungs gerne Fußball spielen und wild, abenteuerlich und trickreich sind. Die einzige Frau, die vorkommt ist dumm und deswegen wird die Frau abgewertet.

Bechdeltest:

Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? Nein!

Sprechen sie miteinander? Nein, die Frau spricht gar nicht.

Unterhalten sie sich über etwas anderes als einen Mann? Nein!

Also der Bechdeltest wird nicht bestanden. Keine Empfehlung.

 

„Kennst du Pipi Langstrumpf“
(von Astrid Lindgren (Autor), Ingrid Vang Nyman (Illustrator), Margot Franke (Übersetzer))

Die wilde, kluge und chaotische Pipi Langstrumpf ist vermutlich allen Kindern spätestens ab der Grundschule bekannt. „Kennst du Pipi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren und Ingrid Nyman ist ein Bilderbuch, also für eine jüngere Zielgruppe. Pipi zieht ganz allein in die Villa Kunterbunt mit ihrem Affen und ihrem Pferd. Allein dadurch wird ein sehr selbstständiges und aktives Bild von Pipi gezeichnet. Sie lernt die Nachbarsgeschwister Thomas und Annika kennen. Die 3 erleben allerhand Abenteuer gemeinsam. Sie spielen gemeinsam, streifen durch den Wald und suchen Sachen (als Sachensucherinnen), gehen in den Zirkus und feiern Geburtstag. Pipi passt nicht in die Klischee-Schublade Mädchen oder Junge. Sie ist einfach so wie sie ist und das bedeutet auch mehr als 5 Scheite zu hacken, oder auch fürsorglich und nett mit allen anderen umzugehen. Auch die Führungsrolle, die Pipi in der Gruppe einnimmt, ist atypisch. Angenehm ist, dass das vermeintlich männliche an Pipi so selbstverständlich ist. Oft werden die Draufgängerinnen (wenn es sie mal gibt) dadurch kontrastiert, dass es einen weiteren weiblichen Charakter gibt, der Geschlechterklischees überzeichnet. Damit die vermeintlich männlichen und für ein Mädhcen scheinbar besondere Eigentschaften ihre Wirkung entfalten können. So wird indirekt wieder alles „weibliche“ abgewertet und ist uncool. Bei „Kennst du Pipi Langstrumpf?“ könnte die Rolle der 2. Weiblichen Person die sanfte, ängstliche Annika übernehmen, die sich genauso wie ihr Bruder sehr klischeehaft verhält. Auf das Buch trifft dieses Schema nicht ganz zu, weil Pipi Eigenschaften aller Seiten in sich trägt und auslebt. Generell ist diese indirekte Abwertung in Kinderbüchern aber ein häufiger falscher Freund. Insgesamt kann Pipi als Orientierungsfigur herhalten und als positives Gegenbeispiel zu klischeehaften Feen und Barbies stehen. Deshalb ist das Buch zu empfehlen – auch als Gegenbeispiel dass Bücherklassiker nicht automatische konservativ sind.

 

„Conni hilft Papa“
(von Liane Schneider, Eva Wenzel-Bürger)

Im Kinderbuch „Conni hilft Papa“ besucht Connis Mama übers Wochenende eine Freundin. Conni bleibt mit papa alleine zu Hause und die beiden bepflanzen den Garten neu. Dafür fahren sie in den Baumarkt, reparieren das Fahrrad und pflanzen schließlich Gemüse und Blumen. Am Ende kommt Mama wieder heim, freut sich und Papa grillt für die Familie.

Wie schon der Titel in Gegenüberstellung zu einem anderen Buch der gleichen Reihe („Conni hilft Mama“) vermuten lässt, finden sich etliche Geschlechterklischees. Conni lernt bei ihrem papa verschiedene handwerkliche Tätigkeiten wie Fahrrad flicken, Umgraben und Gärtnern kennen. Dabei wird gelegentlich kommentiert, dass die Arbeit zu anstrengend für Conni ist und die beschäftigt sich dann lieber mit Tieren im Garten. Insgesamt erscheint der Papa sehr rational und parktisch, während Conni dafür zuständig ist, sich schöne Blumen auszusuchen und den Überblick behält, damit nichts verloren geht. Der Papa hingegen vergisst das Mittagessen. Das gekaufte Bratwurstbrötchen ist aber natürlich eine leckere Abwechslung zur sonstigen mütterlichen Routine. Insgesamt ist die Zeit mit Papa etwas sehr besonderes für Conni, weil dieser viel arbeitet und wenig Zeit zu Hause verbringt. Als die Mama heimkommt ist sie sehr dankbar und der Papa wird hochgelobt. Natürlich steht auch der Papa hinterm Grill.

Es finden sich beim Papa viele klischeehaft „männliche“ Eigenschaften und bei Conni viele klischeehaft „weibliche“. Natürlich vermische sich die Einordnung mit den Erwachsener-Kind-Unterschieden. Aber die Eigenschaften und Verhaltensweisen von Conni lassen sich eigentlich immer zu „weiblichen“ Klischees zuordnen. Es ist zu erwarten, dass ein Junge in der Geschichte anders dargestellt worden wäre.

Conni hilft bei allen handwerklichen Tätigkeiten ein bisschen mit, was die Illusion hervorruft, dass sie sich auch dafür entscheiden könnte, sich „männlichere“ Verhaltensweisen anzueignen. Sie zeigt allerdings schon viele „weibliche“ Verhaltensweisen und es ist zu erwarten, dass eine typisch weibliche Sozialisation bevorsteht. Die Zeit mit Papa ist für Conni etwas sehr besonderes und es ist auch besonders, dass Papa zu hause ein ganzes Wochenende den Alltag schmeißt. Es ist zu bezweifel,en, dass Connis Mamma für die alltägliche Hausarbeit so gedankt wird wie dem Papa am Ende des Buches.

Das Buch bildest wahrscheinlich die Lebensrealität vieler Kinder wider. Leider ist in der beschriebenen Welt aber vorprogrammiert, dass sich Geschlechterklischees reproduzieren. Kinder lernen hier, dass der Papa für Lohnarbeit, Abenteuer und Handwerk zuständig ist und dass die Mama zu Hause bleibt und sich ganz selbstverständlich um alles kümmert.

Freundschaft!